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Auf einer Stufe mit Bordellen – Alexander Spierer vom Sweet Club hat mit anderen Betreibern jetzt Klage eingereicht und legt ein Hygienekonzept vor

Thomas Stöppler

Alexander Spierer hat seinen Kühlschrank geplündert und alles verschenkt: Nicht an Bedürftige, sondern an Feiernde an der Isar. Nicht ganz selbstlos wohlgemerkt, denn zum einen war es der Kühlschrank vom Sweet Club und somit eine PR-Aktion, um sich wieder ins Gedächtnis zu rufen, erklärt der 45-Jährige. Zum anderen musste das Bier eh weg – es wäre sonst abgelaufen.

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Seit jetzt sechs Monaten haben alle Clubs zu und ein Ende ist nicht in Sicht. Für Betreiber*innen und ihre Mitarbeiter*innen eine untragbare Situation. Deshalb hat Spierer zusammen mit unter anderem dem Callmedrella, der Milchbar und dem Heart jetzt den Freistaat verklagt. „Wenn der Staat möchte, dass wir im Sinne des Allgemeinwohls zu haben, dann soll er es halt bezahlen.“ Das sagt Alexander Spierer mit einer ganz sanften, weichen Stimme, so dass es gar nicht nach Stammtischpöbelei klingen mag. Er fordert auch keinen Schadensersatz, sondern er „bittet“ darum.

Fehlende Logik, fehlende Perspektive

Der höfliche Ton ist kein Zufall, die Klage ist als Hilfeschrei zu verstehen. Da mögen die geringen Erfolgschancen eine Rolle spielen, aber auch einfach, dass sechs Monate lang kaum jemand über Münchner Clubs geredet hat: „Wir haben jetzt ein halbes Jahr geschwiegen und wenn wir jetzt nichts sagen, passiert nie was.“

In dem langen Schweigen seitens der Öffentlichkeit, zeige sich auch eine mangelnde Wertschätzung: „Wir sind auf dem gleichen Niveau wie Bordelle, das tut auch weh.“ Denn in Clubs gehe es ja auch um Austausch, Dialog und Musik oder kurz Kultur. So ganz logisch sind die Regelungen der bayerischen Staatsregierung ja auch gerade nicht: „Es kann nicht sein, dass hunderte Partygänger unkontrolliert ohne Masken, ohne Abstand und letztendlich illegal auf öffentlichen Plätzen feiern“.

Fieber messen an der Tür

Hoffnung macht natürlich, dass bereits die allgemeine Sperrstunde und die zur Außenbewirtung gekippt worden sind. Und Spierer und seine Kollegen möchten der Regierung auch entgegenkommen: Zusammen haben sie ein Hygienekonzept entwickelt, das dieser Tage veröffentlicht werden soll. Temperaturmessen am Eingang, Kontaktverfolgung sowie eine Verpflichtung der Clubgänger, nur einmal die Woche auszugehen und alle zwei Wochen wird das Personal getestet. Und dann das wohl stärkste Entgegenkommen: Eine freiwillige Schließung, wenn es wieder über 25 Coronainfizierte pro 100.000 Einwohner gibt. (Zur Einordnung: im Augenblick sind es deutschlandweit etwa vier Personen pro 100.000, der Höchststand war am 6. April mit 90 Erkrankten pro 100.000.)

Keine Zugeständnisse will Spierer beim Personenlimit machen: „Mit 200 Leuten rechnet sich das nicht mal zu einem Drittel“, erklärt er, denn mit 700qm gehört der Sweet Club zu den größeren in München. Spierer ist keiner der rumschreit oder pöbelt, er hält die Maßnahmen grundsätzlich für sinnvoll, aber er sagt auch, dass auch Clubs systemrelevant seien. Das muss man nicht so sehen, systemrelevant ist ein großes Wort und München funktioniert wohl auch ohne Clubs. Aber dann sagt er noch: „Wir sind lebensfreuderelevant“, und das ist wohl eher der Punkt. Und Fakt ist auch: 2018 erwirtschafteten Clubs, Diskotheken über eine Milliarde Euro Umsatz und tausenden von Angestellten. Aus wirtschaftlicher Perspektive ist das systemrelevant.

Beitragsbild: © Alexander Spierer

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