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Kommunalwahl: “München ist bunt, aber der neue Stadtrat nicht”

Jan Krattiger

So schreibt es der Migrationsbeirat München heute auf Facebook und macht damit auf eine Tatsache aufmerksam, die uns auch schon vor den Wahlen beschäftigt hat: 45 Prozent der Münchner*innen haben einen sogenannten Migrationshintergrund (was dieser problematische Begriff konkret meint, und dass er oft zum Beispiel schlicht Deutsche meint, die hier geboren sind, ist eine Diskussion, die dringend geführt werden muss, die an der Stelle aber zu weit führt).

Zwei von 80 Stadträt*innen

Im frisch gewählten Stadtrat aber gibt es genau zwei gewählte Mitglieder (1x bei den Grünen, 1x bei der SPD), die einen nicht deutsch klingenden Namen tragen. Das entspricht einem Anteil von 2,5 Prozent.

Grafik via wahlen-muenchen.de

Sevghin Mayr, Mit-Initiantin der Initiative München wählt Bunt, zeigt sich auf Anfrage zwiegespalten: Sie sei zwar “sehr enttäuscht von diesem Ergebnis”, sieht aber auch, dass die Initiative auch positive Auswirkungen hatte. So seien viele Kandidat*innen innerhalb der Listen auf bessere Plätze aufgestiegen. “Fakt ist: wir müssen weiter machen und uns aber auch mehr anstrengen”.

Drei konkrete Punkte sieht Mayr, die sie weiterhin angehen möchte:

  1. Für das Wahlrecht für Alle kämpfen (nicht nur EU-Bürger*innen)
  2. Migrant*innen dazu bewegen, zur Wahl zu gehen.
  3. Darauf hinwirken, dass mehr Migrant*innen sich politisch engagieren.

In Kooperation mit MUCBOOK hat die Initiative München wählt Bunt im Vorfeld der Wahl zwei Podiumsdiskussionen zum Thema veranstaltet. Eigentlich sollte nach den Wahlen noch eine dritte folgen, die wird aber wegen der aktuellen Corona-Situation vorerst nicht stattfinden.

Kurzinterview mit Malcolm und Marcel von der Kanackischen Welle

Wer MUCBOOK regelmäßig liest, kennt die beiden engagierten Journalisten Malcolm Ohanwe und Marcel Aburakia hoffentlich schon. Wir haben ihnen ein paar Fragen zum neuen Stadtrat gestellt:

Bei der Münchner Stadtratswahl haben 2 der 80 gewählten Kandidat*innen einen nicht deutsch klingenden Namen. Ganz einfach gefragt: Warum denkt ihr, dass es nur so wenige sind?

Marcel: Bei den großen Parteien sind weder intern noch extern gute Infrastrukturen für migrantische Kandidat*innen gegeben. Bei Wahlen kommt dann zusätzliche (rassistische) Skepsis hinzu: Wer fremd klingt, bekommt erst recht keine Stimme.

Malcolm: Also die Namen, die migrantisch anmuten, waren tatsächlich ziemlich niedrig auf den Listen, als ich gewählt habe. Und bei den großen etablierten Parteien wie CSU, SPD, Grünen etc. waren sie auch dürftig vertreten. Tatsächlich waren es kleinere politische Gruppen wie ZuBa oder MUT, wo ein Name hervorblitzte, der einer ethnokulturellen Minderheit angehören könnte.

Wo liegt das konkrete Problem? Wird das von den Parteien zu wenig ernst genommen? Gehen zu wenige sogenannte Menschen mit Migrationshintergrund wählen?

Malcolm: Das Wahlverfahren ist sehr undurchlässig und schwer verständlich – auch als deutscher Muttersprachler. Für Menschen mit nicht so hohen Sprachkenntnissen, egal ob aus Gründen einer anderen nationalen oder kulturellen Herkunft oder weil man aus einem bildungsfernen Haushalt kommt, ist das nicht sonderlich hilfreich.

Marcel: Parteien sind sich scheinbar der Wählerschaft sehr bewusst und wissen, dass sie mit deutsch Deutschen die sichere Route fahren. Gerade wenn sie dann in der Regierung sitzen, geht die Bereitschaft, ein migrantisches Risiko einzugehen, rapide herunter…

Was bedeutet das für die nächsten 6 Jahre Münchner Lokalpolitik?

Malcolm: Ich denke, dass jüngere Generationen, die politisch interessiert sind und Teilhabe wollen, sich noch aggressiver und vehementer mobilisieren werden und leider die Hauptparteien zunehmend weißer und deutschstämmiger werden, da die wenigen Ausnahmen sich anderweitig orientieren müssen – eventuell in einer Partei geprägt durch Menschen, die Rassismus und Ausgrenzungserfahrungen machen, aufgrund von Vor- und Nachnahme, Aussehen und/oder Akzent.

Marcel: Die wird weiterhin migrantische Bürger*innen großflächig exkludieren und sich wenig mit deren Interessen auseinandersetzen. BPocs werden sich von der etablierten Politik zunehmen abwenden und eigenständig organisieren.

Danke euch beiden!

+++Dieser Artikel wird aktualisiert mit weiteren Stellungnahmen+++

1Comment
  • Christian
    Posted at 15:17h, 20 März

    Passt nicht ins Bild aber die AFD Spitzenkandidatin Wassill hat einen “sogenannten Migrationshintergrund”.

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